Donnerstag, 14. Juli 2011

Bob Dylan-Abend bei den Heidelberger Schlossfestspielen

Wer ist Bob Dylan?

Szenische Adaption von Heiner Kondschaks „Dylan - The Times They Are A-Changin“ im Heidelberger Schlosshof

Angesichts des Intendantenwechsels zur nächsten Spielzeit hat "The Times They Are A Changin“ eine besondere Bedeutung, denn diese musikalische Biographie über den eigenwilligen Folk-Rock-Country-Gospel-Sänger aus den Vereinigten Staaten war die erfolgreichste Inszenierung der vergangenen Jahre in Heidelberg.
Einige der beeindruckendsten Schauspieler aus der „Ära“ Spuhler sind extra angereist, um noch einmal vor dem aufgeschlossenen Heidelberger Publikum aufzutreten. Es ist wie ein Wiedersehen mit alten Freunden: Jens Koch muss nur mit seiner Hüfte wackeln, um Begeisterungsstürme auszulösen, und Florian Hertweck beweist sich erneut als hervorragende Besetzung für Bob Dylan, dem während der Schlossfestspiele in Heidelberg noch zwei Abende im Schlosshof gewidmet sind.

"Ich ist ein anderer"

Florian Hertweck, jetzt am Schauspiel Hannover, gelingt trotz aller Open Air-Kompromisse eine szenisch dichte Darstellung Dylans als kaum (be-)greifbaren Musiker. „Ich ist ein anderer“ – mit diesem Satz charakterisiert sich der schwierige und ständig wandelnde Star in seltsam schlecht geführten Fernsehinterviews, die einen Hauch gegenseitiger Verachtung, aber auch eine gewisse Unbeholfenheit zum Ausdruck bringen. Dylan ist ein politisch engagierter Einzelgänger aus Minnesota, der Anfang der sechziger Jahre in einem New Yorker Club auftritt, Folksänger Woody Guthrie (This Land is your Land) verehrt und von John Hammond 1961 für „Columbia Records“ unter Vertrag genommen wird.

Karneval

Wie sehr es ihn später drängt, immer wieder aus Konventionen auszubrechen, nie eine dauerhaft feste Beziehung einzugehen und auch musikalisch neue Wege zu versuchen, zeigt seine Beziehung zu Joan Baez. Sie liebt ihn und verhilft ihm zum Erfolg auf der Bühne, doch kurz vor der angedachten Hochzeit macht er ihre Sozialkritik zunichte. Der Eigenbrödler sieht die Welt als „Karneval“. Bunt, ausgelassen und maskiert, im Ausnahmezustand zwar, aber nicht ernst zu nehmen und schon gar nicht zu verändern. Obwohl gerade er in diesen bewegten Zeiten zwischen Wettrüsten und Woodstock, Kennedy und Martin Luther King mit seinen politisch ambitionierten Balladen die Stimmung der friedfertigen Amerikaner trifft, will er kein Idol sein, keine Verantwortung tragen. Immer, wenn ihm der Erfolg oder die Liebe über den Kopf zu wachsen scheint, verprellt er seine Fans durch Richtungswechsel, etwa vom Folk zum Rock.

Szenische Highlights

Heiner Kondschak arrangiert diese Zerrissenheit, diese Auf- und Hingabe als informatives Schauspiel, das zunächst nur kurz gefasst mit vielen bekannten Songsequenzen gespickt ist und erst nach der Pause den literarischen Songs wie „Hurricane“ oder „Like a Rolling Stone“ mehr Raum gibt. Ilona Lenk verzichtet in dieser „szenischen Adaption“ der Uraufführung vom 1. März 2008 auf ein originelles Bühnenbild im Schloßhof und arbeitet mit wenigen, aussagekräftigen Requisiten. Sie lässt die Schauspieler in vielerlei sechziger bis neunziger Jahre-Klamotten glänzen. Vor allem Franziska Beyer und Monika Wiedemer , die in ihren vielen kleinen Nebenrollen als Geliebte Sara, Suze oder als Janis Joplin (Wiedemer) und als Joan Baez, Liz Taylor, Marlene Dietrich (Beyer) szenische Highlights setzen.

Was hat Jonny Depp mit Dylan am Hut?

Hagen von der Lieth wirbelt gekonnt clownesk als Johnny Depp-Verschnitt (weil der so cool ist, oder?) über die Bühne und treibt durch seine Erläuterungen die bilderreiche Handlung voran. Gemeinsam bilden die Schauspieler mit den Musikern Cordula Hamacher, Ralf Schmith und Hans Reffert unter der musikalischen Leitung von Heiner Kondschak eine hörenswerte Band. Kondschak selbst zieht ein Instrument nach dem anderen aus der Tasche und hat dabei alles perfekt im Griff. Bemerkenswert, wie er jeden Schauspieler in das musikalische Konzept mit einbindet. Nach gut drei kurzweiligen Stunden durfte dann das den ganzen Abend über drohende Donnergrollen auftrumpfen, das die Zuschauer schnell in alle Richtungen verschwinden ließ – die Songs von Bob Dylan natürlich noch lange im Ohr.

Weitere Vorstellungen am 15. und 20.7., jeweils um 20 Uhr im Schloßhof des Heidelberger Schlosses. Karten unter Tel. 06221/582 00 00 oder auf www.heidelberger-schlossfestspiele.de. Am 7. Januar 2012 im großen Haus des Badischen Staatstheaters Karlsruhe.

Carmen Oesterreich


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