Montag, 1. August 2011

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100 Jahre nach seinem Tod wirken die Reformen von Konrad Duden noch immer wegweisend

„Schreib, wie du sprichst!“

Einfach, einheitlich und effektiv, das könnten die pädagogischen und lebenspraktischen Leitwörter des Gymnasialdirektors Konrad Duden gewesen sein. Der Mann, der dem deutschsprachigen Raum schon vor mehr als 100 Jahren die einheitliche Rechtschreibung beschert hat, hat es sehr gut gemeint mit seinen Schülern. Offensichtlich wollte er kein Lehrer sein, der „immer Recht hat“: Bei verschiedenen Meinungen bevorzugte er die „Freiheit der Entscheidung“. Er setzte auf eine gute Allgemeinbildung bei den Schülern und betonte in der schwierigen Jugenderziehung die notwendige Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus – dies stets mit Wohlwollen und Fürsorge.

Englisch statt Hebräisch

Den damals traditionellen Hebräischunterricht ersetzte er durch Englischunterricht. Lehrpläne wurden geändert, damit die Schüler leichter und nachhaltiger lernen konnten. „Schönschreiben“ und „Tonlesekunst“ wurden abgeschafft, dafür musische Fächer wie Singen und Zeichnen sowie der Sport gefördert. Als Wegbereiter zum lebenslangen Lernen gründete Duden im thüringischen Schleiz den „Allgemeinen Bildungsverein“, der wie heute die Volkshochschule allen interessierten Bürgern weiteres Wissen vermittelte. Ein sehr moderner, aufgeschlossener Lehrer, der sich angesichts der gegenwärtigen Schul-, Bildungs- und Erziehungsprobleme unruhig im Grab wälzen müsste. Seit 100 Jahren ist er tot, doch seine Reformen wirken noch heute wegweisend.

Gymnasialdirektor mit Witz und rheinischem Humor

Geboren wurde Konrad Alexander Friedrich Duden auf Gut Bossigt bei Wesel. Dort besuchte er von 1837 bis 1846 das Gymnasium. Nach dem Abitur studierte er in Bonn Philosophie, klassische Philologie, Geschichte, deutsche Sprache und Literatur. Nach dem Lehramtsexamen 1854 war er zunächst Hauslehrer in Frankfurt/Main und Genua und promovierte über die „Antigone“ des Sophokles. 1859 wechselte er zum Gymnasium in Soest, wurde Prorektor und hatte damit quasi die erste Erlaubnis zur Lehrplanreform. So kam Englisch auf den Stundenplan. 1869 wurde er Gymnasialdirektor in Schleiz, geschätzt von den Bürgern für seinen geistreichen Witz und rheinischen Humor. Eine gute Voraussetzung, um im 1871 gegründeten Deutschen Reich sein wichtigstes Anliegen durchzusetzen: die einheitliche Rechtschreibung. Aus strategischen Gründen wechselte er deshalb 1876 als Gymnasialdirektor ins preußische Hersfeld.

27000 Stichwörter im ersten Orthographischen Wörterbuch

Jeden Tag mit Rechtschreibproblemen konfrontiert, dokumentierte er diese nicht nur, sondern formulierte sie 1872 in seinem Aufsatz „Die deutsche Rechtschreibung“. Wörterverzeichnis und Regeln hängte er an. Sein Leitsatz: „Schreib, wie du sprichst!“ 1880 erschien sein „Vollständiges Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache“ mit 27 000 Stichwörtern auf 187 Seiten. Das war der „Urduden“, zu haben für nur eine Mark. Bis zur Jahrhundertwende gab es sechs Auflagen. Erst 1901 einigten sich die deutschen Kultusminister auf eine einheitliche Rechtschreibung, 1903 wurde sie amtlich bestätigt. Die Schweiz und Österreich schlossen sich an. Konrad Duden wurde fortan durch Mitarbeiter unterstützt, die mit ihm die Ergebnisse der „2. Orthographischen Konferenz“ als gemeinsame Grundlage für das neue Standard- und Gebrauchswerk der deutschen Rechtschreibung einarbeiteten. Am 1. August 1911 ist Konrad Duden im Alter von 82 Jahren in Sonnenberg (Wiesbaden) gestorben. Auf seinem Schreibtisch lag die 9. Auflage seines Lebenswerks.

Die Dudenredaktion des Bibliographischen Instituts arbeitet weiter daran, aktuell liegt die 25. Auflage des „Duden“ sowie ein breites, auch digitales und mobiles Angebot vor. Die Redaktion bleibt dem Anspruch der Volksnähe treu, denn bei angewandten Sprachen bleibt alles im Fluss. Vielleicht setzt sich eines Tages auch im Deutschen die schon von Konrad Duden befürwortete Kleinschreibung durch. In E-Mails, auf Facebook und anderen „sozialen Netzwerken“ ist sie schon weit verbreitet ...

Carmen Oesterreich


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Content ! - Redaktionsbüro: Interview mit Duden-Chef Dr. Werner Scholze-Stuben...: "„Durch die sozialen Netzwerke wird so viel geschrieben wie nie zuvor“ Dank Konrad Duden ist das bis heute nach ihm benannte Standardnach..."

Interview mit Duden-Chef Dr. Werner Scholze-Stubenrecht

„Durch die sozialen Netzwerke wird so viel geschrieben wie nie zuvor“

Dank Konrad Duden ist das bis heute nach ihm benannte Standardnachschlagewerk nun schon seit mehr als 130 Jahren eine maßgebliche Instanz für alle Fragen zur deutschen Rechtschreibung. Weil die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Dudenredaktion dem Volk ständig „aufs Maul schauen“, alle Trends und Wortschöpfungen beobachten und dokumentieren, hat sich das „orthographische Wörterbuch“ im Laufe der Zeit so verändert, dass mittlerweile die 25. Ausgabe des „Duden“ vorliegt. Carmen Oesterreich sprach mit dem Chef der Dudenredaktion, Dr. Werner Scholze-Stubenrecht, über seinen Auftrag, das Anliegen des „Vaters der deutschen Rechtschreibung“ nach einer einheitlichen und einfachen Rechtschreibung zu pflegen.

?: Ist es heute schwieriger als für Konrad Duden, eine einheitliche und einfache deutsche Rechtschreibung zu vermitteln?

Dr. Werner Scholze-Stubenrecht: Wir haben seit 1901 im deutschen Sprachraum immerhin eine Einheitlichkeit, die zu Konrad Dudens Zeiten erst erarbeitet werden musste – wozu er ja auch maßgeblich beigetragen hat. So einfach, wie er sie sich gewünscht hätte, ist die Rechtschreibung aber auch heute noch nicht geworden, und deshalb bleibt für die Dudenredaktion noch viel zu tun.

?: Wie oft müssen Sie selbst im Duden nachschlagen?

Dr. Werner Scholze-Stubenrecht: Sicher häufiger als die meisten anderen Menschen, weil mir die vielen Möglichkeiten, etwas falsch zu schreiben, besonders bewusst sind. Je nach Tagesform muss ich mich immer wieder einmal vergewissern, dass man „Galerie“ tatsächlich nur mit einem l schreibt oder dass für „zu Ende“ nur die Schreibung in zwei Wörtern gilt.

?: Werden durch die Rechtschreibreform mehr Fehler gemacht als vor der Reform?

Dr. Werner Scholze-Stubenrecht: Das weiß ich nicht. Theoretisch müssten es schon deshalb weniger sein, weil häufiger als früher zwei Schreibweisen zulässig sind. Andererseits gibt es noch relativ viele Bücher in alter Rechtschreibung, sodass sicher bei einigen Schreibenden noch eine gewisse Verunsicherung besteht.

?: In Aufforderungen zum Beispiel für Schüler oder Köche lese ich oft „lese“ statt „lies“ und „nehme“ oder „gebe“ statt „nimm“ oder „gib“. Laut Duden ist das falsch! Nehmen Lehrer und Lektoren die amtliche Rechtschreibung und Grammatik nicht mehr ernst?

Dr. Werner Scholze-Stubenrecht: Das kann ich nicht bestätigen. Es werden nach wie vor viele Wörterbücher, Grammatiken und Sprachratgeber gekauft, und auch die Duden-Sprachberatung kann sich über fehlendes Interesse an richtigem Deutsch nicht beklagen.

?: Sehen Sie die Hüter der deutschen Sprache als ewig gestrigen Bremsklotz für eine stetige, auch globale Entwicklung, die Abkürzungen und Anglizismen in die Nationalsprache aufnimmt?

Dr. Werner Scholze-Stubenrecht: Abkürzungen und Übernahmen aus anderen Sprachen kennt das Deutsche schon seit Jahrhunderten, und schon ebenso lange haben sich Menschen immer wieder darum bemüht, diese Entwicklungen nicht überhandnehmen zu lassen. Über die Sprache nachzudenken und zu diskutieren und sie bewusst zu gebrauchen, ist nie verkehrt.

?:„Iwo“ in einer SMS oder bei Twitter oder Facebook bedeutet „irgendwo“. Welchen Einfluss haben die sozialen Netzwerke oder auch der Hang zu Kurzmeldungen auf die Sprache?

Dr. Werner Scholze-Stubenrecht: Durch die sozialen Netzwerke, die Blogs und die Chatrooms wird in den elektronischen Medien so viel geschrieben wie nie zuvor. Verkürzungen, die schnellere Kommunikation ohne Verlust von Inhalt ermöglichen, sind dabei durchaus legitim. Als man noch Telegramme verschickte und aus Kostengründen „Ankomme Freitag“ statt „Ich werde am Freitag ankommen“ schrieb, hatte das auch keine besonderen Auswirkungen auf den allgemeinen Sprachgebrauch.

?: Eine gemeinsame Sprache bedeutet Identifikation mit der Peergroup genauso wie mit der Kultur eines Landes. Welche Verantwortung trägt der Duden gegenüber der Gesellschaft?

Dr. Werner Scholze-Stubenrecht: Wir sehen unsere Hauptaufgabe darin, über die Sprache zu informieren. Wir vermitteln die sprachlichen Standards, die in der Rechtschreibung staatlich vorgegeben und in den anderen Bereichen durch die sprachwissenschaftliche Beobachtung und Beschreibung des Sprachgebrauchs geprägt sind.

?: Warum findet man zum Beispiel das diskriminierende Wort „Assi“ (jugendsprachl. für abzulehnender Mensch) im Duden?

Dr. Werner Scholze-Stubenrecht: Weil auch umgangssprachliche Elemente und Schimpfwörter zu unserer sprachlichen Wirklichkeit gehören. Durch deren Beschreibung und entsprechende Markierung kann man im Wörterbuch sehen, dass nicht alles, was gesagt und geschrieben wird, in jeder Situation angemessen ist.

?: Der „Duden“ ist längst nicht mehr nur ein Wörterbuch, sondern bietet in insgesamt zwölf Bänden Informationen zu Aussprache, Stil, Fremdwörtern, Synonymen – auch in digitaler Form als Download oder Software-Anwendung. Auch im Kinder- und Schulbuchbereich ist „Duden“ eine Marke ‑ bis hin zur Lerntherapie und Sprachberatung. Wie groß ist der Bedarf an Unterstützung?

Dr. Werner Scholze-Stubenrecht: Die breite Auffächerung unseres Angebots zeigt, dass es die vielfältigsten Bedürfnisse nach sprachlicher Information, nach Rat und Empfehlung im Bereich der deutschen Sprache gibt. Wir versuchen, dieser Nachfrage nach besten Kräften gerecht zu werden, und glauben, dass uns das auch recht gut gelingt.