Sonntag, 3. Juli 2011

Kindertheater auf dem Schloss Heidelberg

Nackte Tatsachen im Englischen Bau


Die Fans des Kinder- und Jugendtheaters Zwinger3 feiern die Uraufführung von „Des Kaisers neue Kleider“ mit viel Applaus

Bevor mit dem Intendantenwechsel zum Ende der Saison auch ein Teil des Ensembles des Heidelberger Kinder- und Jugendtheaters Zwinger3 „Ade“ sagen wird, hat es auf dem Heidelberger Schloss unter freiem Himmel noch einmal kräftig aufgetrumpft. Frei nach dem Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ von Hans Christian Andersen haben Dominik Günther und Heike Vollmer die Geschichte um Lug und Trug mit viel Witz, Musik und Slapstick aufgepeppt.

Dabei ist das eine ziemlich wackelige Angelegenheit: Die Bühnen- und Kostümbildnerin Heike Vollmer hat die Kulisse des Englischen Baus andeutungsweise auf einer nach links und rechts kippenden Bühne nachgebaut. Für Balance oder Stillstand müssen die Schauspieler sorgen, aber danach ist denen nur selten zumute. Denn ihre Spielfiguren erkennen nach und nach, dass der verschwenderische Lebensstil des autoritären Kaisers gegenüber den Interessen des Volkes eine ziemlich wackelige Angelegenheit ist.

Schneller Slapstick

Cedric Pintarelli als „der kleine Klaus“ und Dominik Knapp als „der große Klaus“ sorgen mit ihrem komödiantischen Talent für viel Tempo. Die beiden Hofmusikanten werden vom Kaiser gefeuert, weil dieser sonst nicht die teuren, neuen Kleider zu seinem Geburtstag bezahlen kann. Er wünscht sich ein exklusives, nie dagewesenes Outfit und sucht dafür Pariser Modedesigner.

Zum Glück kommen die beiden hungrigen Landstreicher auf die Idee, dass sie sich ja am Hof bewerben können. Weil dieses Können aber rein gar nichts mit der Kunst des Schneiderhandwerks zu tun hat und ihnen auch das Material zum Nähen fehlt, greifen sie tief in die Märchenkiste und singen ähnlich dem Vorleser „Zauberzunge“ in Cornelia Funkes „Tintenherz“ diverse Märchengestalten herbei. Die sind allerdings ziemlich grimmig und unhöflich, sagen „hää“ statt „Wie bitte“ und denken nicht daran, etwas von sich herzugeben. Joanna Kappsch beweist in diesen kurzen Szenen ihre schauspielerische Wandlungsfähigkeit von der lieben Prinzessin über die herrische Frau Holle bis zum rasenden Däumling, Kerstin Ohlendorf brilliert als selbstbewusste Hofdesignerin ebenso wie als Göre Rotkäppchen und verführerische Rapunzel.

Tipps vom Teufel

Egal, wer sie sind, sie werden reingelegt, bis der Teufel mit den drei goldenen Haaren kommt. Ulf Schmitt als sonst diensteifriges, ministerielles „Froschgesicht“ ist in dieser rabiaten Rolle kaum wiederzuerkennen. Er verrät, wie die Karl Lagerfeld-Doubles „Claude & Claude“ den Kaiser austricksen können. Sie tun, als ob und behaupten, dass nur Dummköpfe die edlen Stoffe und schönen Schnitte nicht sehen könnten. Da sich niemand eine Blöße geben will, werden sie letztlich vom gesamten Hofstaat und dem Volk unterstützt.

Massoud Baygan spielt den Kaiser als eitlen Fatzke, dem jeder sein ausschließliches Faible für extravagante Kleider abnimmt. Als er die „nackten Tatsachen “ erkennt, lässt er erst Recht die Hüllen eines kaiserlichen Würdenträgers fallen. „Echt schwul“, sagt dazu lobend das jugendsprachlich geprägte Publikum. Das amüsiert sich köstlich, und einmal losgelassen, gehen Schauspieler und Zuschauer in dieser fetzigen Inszenierung von Dominik Günther richtig ab und tanzen den Waka-Waka-Wupi-Dance.

Noch ein Grund zum Jubeln: Massoud Baygan und Joanna Kapsch bleiben beim Kinder- und Jugendtheater in Heidelberg, Cedric Pintarelli bleibt in der Nähe: Er wechselt zum Schnawwl, dem Kinder- und Jugendtheater des Nationaltheaters Mannheim.

Weitere Vorstellungen im Englischen Bau am 6.,8.,13. und 18. – 22.7. jeweils um 10 Uhr, am 7. und 15.7. jeweils um 9.30 Uhr. Familienvorstellungen gibt es am 9., 10. und 17.7. jeweils um 17 Uhr und am 23.7. um 11 Uhr.

Carmen Oesterreich


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen